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Predigt von Pfarrer Dr. Johannes Holdt, am Fastnachtssonntag 1998 in der Pfarrkirche Schömberg

Liebe gläubige Narren,

's gibt viele Dinge weit und breit, 
die wichtig sind, über die man sich freut:
Hochzeit, Taufe, Besuch - wenn er wieder geht - 
wenn ein Lottogewinn ins Haus dir steht, 
wenn des Nachbarn Haus brennt, deins aber nicht, 
dann freut man sich herzlich und strahlt im Gesicht. 
Doch jede Freude verblaßt im Vergleich 
zu dem was Fasnet ist in unserm Bereich.

Seit Monaten fiebert man überall schon, 
legt zurück den halben Monatslohn, 
verzichtet aufs Rauchen, aufs Trinken und Essen, 
- um weitere Sachen ganz zu vergessen - 
- denn jede Kraft sei der Fasnet geweiht, 
- dem höchsten Maß an irdischer Freud.
Und wenn die Fasnet am schönsten ist, 
dann erklingt oft ein Lied, das niemand vergißt. 
Es erklingt bei Jung, es erklingt bei Alt, 
gar mächtig es durch die Lüfte schallt, 
und alle stimmen fröhlich an das Lied, das jedes Kind schon kann: 

"Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel,
weil wir so brav sind, weil wir so brav sind". 

Ein großes Wort gelassen ausgesprochen. 
Ich fragte mich schon die ganzen Wochen,
ob's nicht zu schön vielleicht, um wahr zu sein - 
kommt man wirklich so leicht in den Himmel hinein? 
Seid ihr wirklich so vollkommen, ihr Leut? 
Es mag wohl so sein, bei den meisten von heut.

Die Zwanziger zum Beispiel sind doch recht brav - 
oder kennt man unter denen ein schwarzes Schaf?
Davon weiß ich nichts zu sagen.
Mit den Dreißigern braucht man sich auch nicht zu plagen.
Da sind viele gute, ja sehr gute Leute, 
vorbildlich sogar, wie selten heute. 
Übertroffen werden sie möglicherweise 
allein von den Vierzigern in diesem Kreise. 
Doch wahre Tugend trifft man erst dann, 
wo man 50 Jahre zählen kann. 
In höchsten Höhen der Menschlichkeit 
streben die Sechziger mit Treffsicherheit. 
Den Siebzigern steht der Himmel weit auf,
denn Heilige sind sie, ich wette darauf.
Die Achtziger und die Neunziger ich kaum noch irdisch find, 
zumal sie fast ausschließlich weiblich sind. 
Und über die Tugend der Weiblichkeit 
besteht doch sicherlich kein Streit.

Der Petrus sieht es also ein:
Wir sind die reinsten Engelein.
Doch, liebe Freunde, wenn's nicht ganz so wär, 
und unsre Tugend wär nur eine Mär,
dann wär's an der Zeit, mal was zu tun
und nicht auf falschen Lorbeern auszuruhn:

Wenn bald die tollen Tage vorbei
und vorüber die ganze Narretei,
dann lenkt Euern Schritt ins Gotteshaus,
bestreut mit Asche kommt wieder heraus
und bedenkt: nur Asche ist der Mensch hinieden,
wenn ihm nicht Gottes Gnade beschieden.

Und nach dieser Gnade soll man von Herzen streben,
durch ein weises und wirklich christliches Leben.
So feiert glückselig die Fasnet heut.
Doch glaubt mir: glückseliger ist die Fastenzeit!

Amen.
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