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Urstrohmann
An dieser Tradition hängt eine Menge Arbeit

Es fängt früh an, denn seit Oktober arbeitet die Zunft fleißig an neuen Traditionsgewändern. Wenn andere sich noch nicht einmal Gedanken machen über das Weihnachtsfest, haben die Mitglieder der Leipferdinger "Strohglonki" Narrenzunft schon alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen für die nächste Fasnet. Anfang Oktober beginnt die arbeits- und zeitintensive alljährliche Wiedergeburt des"Strohmannes", dem Leipferdinger Fasnachtssymbol, dessen Ursprung nachweislich 200 Jahre zurückliegt. Bis der Strohmann in seinem charakteristischen "Häs" die Fasnet bereichern kann, müssen die Strohglonki viel Fleiß und Zeit investieren.

Erste Maßnahme stellt schon das Mähen des Hafers dar, was noch wie zu Urväters Zeiten von Hand zu geschehen hat, um die Strohhalme nicht zu zerstören, die später zum unverwechselbaren Kleidungsstück des Leipferdingers Urstrohmannes gebunden werden. Während der letzten schönen Herbsttage sieht man dann die Getreidegarben beim ehemaligen Zunftmeister und jetzigen Brauchtumspfleger Heinz Speck in der Sonne liegen, um die letzte Feuchtigkeit zu entziehen, damit das Stroh nicht grau und unansehnlich werden kann.

Die eigentliche Sisyphus-Arbeit beginnt allerdings erst dann, wenn Anfang Oktober zum "Schtraumachä" aufgerufen ist. Dann kommen zweimal wöchentlich die Strohglonki zusammen, um die an der vorangegangenen Fasnet lädierten Strohgewänder der Leipferdinger Symbolfigur auszubessern oder zu erneuern. Das mühsam gewonnene Haferstroh wird zunächst geschält, um die goldenen Halme freizulegen, die dem Gewand des Urstrohmanns sein unverwechselbares Outfit bescheren. Stola, Umhang, Arme und Beine müssen gefertigt werden, damit sich der urige Typ bei den fasnachtsbegeisterten Umzugsgästen in Leipferdingen und an den Narrentreffen wieder sehen lassen kann. Auch Kopf und Schuhe werden wieder in ihren ursprünglichen Zustand gebracht, denn auch der Kopf leidet über die Fasnetstage.

Zur Herstellung des Kopfes wurden schon vor etlichen Jahren Grundgestelle aus Draht gefertigt, die von außen mit Stroh versehen werden. Ähnlich geschieht das bei den Schuhen. Für die Kleidungsstücke werden aus vier Halmen bestehende Strohbüschel mit Sisalschnüren aneinandergeknüpft, bis sich nach unendlichen Knoten endlich die erforderliche Länge ergibt - das ist nicht so wenig, wenn man bedenkt, dass für einen Strohmann eine gesamte Bahnenlänge von 6,80 Meter erforderlich ist. Diese Zahl setzt sich folgendermaßen zusammen:

Für die Gestaltung der Arme werden zwei mal 70 Zentimeter, für die Beine vier mal 70 Zentimeter und für den Umhang 120 Zentimeter benötigt, die Stola verbraucht sogar 1,40 Meter. Das sind allerdings lediglich die Zutaten für einen von acht Strohmännem der Leipferdinger Zunft, die alljährlich gerichtet werden.

Obwohl sich bei Umzügen maximal drei dieser Gesellen gleichzeitig zeigen, bedingt die Beschaffenheit allerdings extreme Gebrauchsspuren, so dass nach und nach jeder unansehnlich wird bis zum Ende der jeweiligen Fasnachtsaison.

Aus der "Narrenzeitung" Nr. 35/2000 der "Narrenvereinigung Hegau-Bodensee"
Bild © Narren-Spiegel
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